Lenhardt lästert

28.12.06

Gelegenheit macht Spiele


Es grassiert die „Spiel des Jahres“-Stimmung und glaubt man der Finalistenauswahl von Gamespot, ergibt sich dadurch die Xbox 360 als Hardware-Sieger. Denn kein anderes System hat so viele „seiner“ Spiele in die Endauswahl gekriegt. Von den mir bekannten Titeln hätte ich persönlich wahrscheinlich Oblivion den Vorzug vor Gears of War gegeben, was aber viel mit meinem persönlichen Geschmack zu tun hat, der sich in Rollenspielgefilden einen Tick heimischer fühlt.

Eigentlich wäre für 2006 eine großzügigere Interpretation des Begriffs „Spiel des Jahres“ angebracht, ähnlich wie das Time Magazine bei seiner „Person des Jahres“-Wahl gerne mal ganze Gruppen, Gegenstände oder einfach „You“ kürt.

Für mich war 2006 jedenfalls das Jahr des downloadbaren Mini- und Gelegenheits-Spiels. Erfunden wurde das Konzept auf dem PC, seinen großen Mainstream-Durchbruch erlebte es mit der erfolgreichen Einführung der „Arcade“-Sektion im Live-Service für die Xbox 360. Da heißen die heimlichen Hits Texas Hold ’Em, Zuma Deluxe oder Uno, erleben Spielhallen-Legenden wie Dig Dug, Defender oder Contra einen zweiten Frühling. Ein wesentlicher Reiz von Nintendos neuem Wii-System sind die wöchentlichen neuen Angebote im Oldie-Shop, wo man sich für wenige Euro authentische Versionen von Klassikern vergangener Konsolengenerationen downloaden kann. Und irgendwann wird auch Sony kapieren, dass man PS1-Klassiker direkt auf der PS3 spielen können sollte, und nicht nur auf der PSP.

Die „Kleinen“ kosten wenig, sind schnell kapiert, erfordern kein gigantisches Zeit-Investment und lassen sich Impulskauf-mäßig eben mal downloaden. Vor allem machen ihre besten Vertreter einfach mehr Spaß als ein Großteil der Auf-Nummer-Sicher-Vollpreisproduktionen, die sich immer mehr auf sichere Lizenzen und bewährte Spielkonzepte verlassen, wobei der Fun-Aspekt öfters mal auf der Strecke bleibt.

Also, da haben wir’s: Das Spiel des Jahres 2006 war der Mini-Game- bzw. Oldie-Download an sich. Wünschen wir uns nur noch, dass die Fachpresse die feinen Kleinen stärker würdigt und fairer bewertet. Denn vielerorts kann ein Spiel ohne neueste 3D-Grafiktechnik oder gewaltig anmutende „Komplexität“ (Spieletester-Unwort des Jahres?) kaum mehr die 70er-Wertungsbereiche hinter sich lassen.

24.12.06

All the best zum Fest


Die Ansprachen finden an verschiedenen anderen Stellen statt, ich darf an dieser Stelle die offizielle Rolf-Boyke-Grafik zum Fest präsentieren und Euch allen standfeste Christbäume sowie +100 auf die Verwandtschafts-nerv-Resistenz wünschen. Rolf hat unter www.boyke-comix.de seine eigene Web-Präsenz, ein wahres Schatzkästlein insbesondere für Kenner der alten Starkiller-Comics.

23.12.06

Wii das Leben so spielt


Den im Morgengrauen den Nürnberger Einzelhandel unsicher machenden Wii-Sammlern der N-Zone habe ich es zu verdanken, dass Nintendos neue Konsole seit dem deutschen Erstverkaufstag in meinem Wohnzimmer steht. Die wesentlichen sachlichen Erkenntnisse (Steuerung mit der „Fernbedienung“, bescheidenes Grafikniveau, etc.) hat die einschlägige Fachpresse bereits eingängig analysiert. Ich darf ein paar persönliche Erfahrungen und Betrachtungen beisteuern:

Wii charmant!

Xboxen und Playstations sind vom Mars, Wii stammt eindeutig von der Venus. Das kompakte weiße Kästchens strahlt eine entspannte Unaufdringlichkeit aus, die von der dezenten Ambientemusik in den Menüs unterstrichen wird. Fehlt eigentlich nur noch, dass dezente Patchouli-Düfte aus dem Gerät wabern. Dafür leuchtet es geheimnisvoll blau aus dem Lauftwerk heraus, wenn eine neue Nachricht eingetroffen ist.

Wii praktisch!

Wireless Lan ist lobenswerterweise eingebaut, bei der Xbox 360 kostet mich der Spaß 80 Euro extra. Sympathisch auch die zusätzlichen „Kanäle“, die in den letzten Tagen per Nachzügler-Downloads eingetroffen sind. Der Wetterkanal hat enormen spielerischen Charme (… und prognostizierte bislang recht zuverlässig). Inzwischen kann ich auch rudimentär mit dem Wii das Internet besurfen.

Wii nostalgisch!

Die Bibliothek an emulierten Spiele-Oldies, die man sich im „Virtual Console“-Menü für ein paar Euro downloaden kann, ist jetzt schon gut gefüllt. Schön, dass auch Klassiker von PC-Engine und Sega Mega Drive dabei sind (mit Perlen wie Treasures Sidescroller-Ballerorgie Gunstar Heroes). Oldie-Fans sollten unbedingt die 20 Euro für den Classic Controller locker machen.

Das System ist also hochsympathisch, nur vermisse ich die wirklich guten Wii-Spiele. Zelda ist natürlich ein Pflichtkauf, aber die reflexartigen Lobeshymnen der Spieletesterzunft kann ich nicht ganz nachvollziehen. Fängt unglaublich lahm an (Höhepunkt der ersten Spielstunde: Ziegen hüten) und sieht einfach bescheiden aus. Steigert sich natürlich später, aber die ganze Action-Puzzle-Masche war auch schon mal erfrischender. Überbewertet.

Ganz witzig ist noch die Wii-Version von Madden NFL 07, auch wenn die WiiMote-Steuerung nicht alle Wünsche erfüllt. Wenn ich einen bestimmten Receiver anpassen will, muß der erst noch durch Tastendruck markiert werden – die genaue Wurfrichtung kann der Controller nicht erkennen.

Beim mitgelieferten Wii Sports hat mich Tennis mit seiner unberechenbaren Steuerung enttäuscht, dafür ist das simple Bowling ein echter Bringer. Vorsicht übrigens beim Einsatz in Anwesenheit von Haustieren: Wenn Herrchen mit komischen Stöckchen im Wohnzimmer herum fuchtelt, wird das vom treuen Hund gerne als Spielaufforderung verstanden. Und dann steht der Vierbeiner schon mal erwartungsfroh vor der Sensor-Bar und unterbindet des Menschen armselige Steuerungsversuche. Hmm, vielleicht Zeit für ein Gassi…

Meinen Wii-Kauf habe ich keinesfalls bereut, aber seit die Xbox 360 wieder gefunden und aufgebaut wurde (halleluja!) fühle ich mich wieder stärker von Microsofts Kiste in Versuchung gebracht. Da gibt es halt auch schöne Oldies (Contra for the win!) und vor allem Next-Gen-Spiele, die auch wie solche aussehen (Gears of War).

3.12.06

Christkind-Klaustrophobie


Ich habe den Vorhof der Hölle in Form der E3 erlebt und das Stahlbad der Games Convention überlebt. Aber nichts kann einen für das Menschenmassen-Pandämonium wappnen, welches die Einheimischen verharmlosend Nürnberger Christkindlesmarkt“ nennen.

Es fehlte nicht an Vorwarnungen mitfühlender Kollegen. Verzweifelt ihre Blicke, besorgt ihr Tonfall – so inbrünstig warnt man angehende Märtyrer vor einer hoffnungslosen Mission. Aber als Neu-Nürnberger muß man seiner schmählich vernachlässigten Frau Mutter ja etwas bieten. Zum Beispiel bei eisigem Wind von 25.000 anderen Irren umzingelt werden.

Eröffnungstag, 17:30 Uhr im Epizentrum, dem Hauptmarkt in der Altstadt. Das Christkind eröffnet „seinen“ Markt (ich erspare mit an dieser Stelle theologische Rückfragen). Ein guter Teil der Besucher ist außerhalb der Sichtweite. Vereinzelte Drängelversuche werden im Keim erstickt. Hier bewegt sich gar nichts mehr. Die Menge wirkt gereizt.

Die eigentliche Show dann eher so la la. Ein Posaunenchor als Vorgruppe. Dann singt ein Musikschulchor und das Christkind (in Form eines lokalen Teenagers) spricht seinen Monolog. Nach einem Viertelstündchen ist die Performance vorbei, dann orgelt jemand als Rausschmeißer durch die Nacht, die Budenlichter gehen an und die Menge setzt sich zaghaft wieder in Bewegung.

Vielleicht sollte ich erheblich mehr Glühwein tanken, um dem ganzen Weihnachtsmarkts-Konzept so etwas wie Sinn und Charme abringen zu können. Aber ein ordentlicher Wahl-Nürnberger schwächelt nicht, zum kommenden Wochenende folgt der nächste Besuch. Wenn ich am Freitag vorher ein Wii abkriege, verspreche ich auch, nicht weinend zusammen zu brechen.