Lenhardt lästert

22.11.05

Die neue Kiste


Rein statistisch gesehen ist Kanada in Sachen Schußwaffenbesitz und Gewaltverbrechen ein lebenserwartungsgünstigeres Pflaster als dessen großer Nachbar im Süden. Bewaffneten Xbox-360-Raubüberfällen konnte ich beim heutigen Konsolen-Launchtag jedenfalls nicht beiwohnen, es lauerten auch keine Heckenschützen in der Mall-Parkgarage. Zuhause gab es nur noch kleinere Abenteuer mit der Umverpackung: Mir ist nicht klar, wie man die ohne ästhetisch unschöne Risse aufkriegen soll - und der grandiose Pointer konnte es nicht fassen, dass da nur eine langweilige Spielkonsole, aber kein Knusperknochen drin war (siehe oben).

Ist es wirklich schon vier Jahre her, seit ich ächzend die jungfräuliche Erst-Xbox aus ihrem Karton gewuppt hatte? Die 360 wirkt zwar eleganter, ist aber gar nicht so viel leichter und zierlicher. Außerdem hat man zunächst etwas Angst, das monströse Netzteil anzuklemmen - der fette Stecker sieht so aus, als würde man damit die Selbstvernichtungsanlage eines Atomkraftwerks auslösen.

Erfrischendes Kontrastprogramm: Die letzten Tage spielte ich vor allem Mario Kart DS (was hochgradig nett, aber nicht dramatisch anders ist als dessen SNES-Stammvater von 1992). Heute habe ich dagegen die HiRes-Herrlichkeit des Xbox-Dashboards bestaunt und eben mal die Kameo-Demoversion auf meine Festplatte gezogen - moderne Zeiten.

Auch wenn bei den ersten Spielen die eindeutige Killer-Applikation fehlt, ist die Xbox 360 (zumindest für „Wer braucht schon warme Mahlzeiten oder ein gedecktes Dach?“-Enthusiasten wie mich) alle finanziellen Opfer wert. Die totale Live-Integration ist höchst elegant, leichtfüßig hüpft man zwischen Spiel und Benutzeroberfläche, chattet ein wenig rum oder checkt einfach, was die Freunde zuletzt gezockt haben. Ich bin nur gespannt, wie dieses Hybrid-Feeling bei der breiten Masse ankommen wird. Mit all ihren Menüs und Funktionen ist die Xbox 360 für Technik-Fremdler durchaus etwas furchteinflößender als eine „Spiel rein, sonst nix“-Konsole.

5.11.05

Nehmt mein Geld, aber nervt mich nicht


Neues aus der Realsatire-Abteilung: Vor zehn Minuten rief meine örtliche Filiale von Electronics Boutique an, um allen Erstes das Prozedere meines Xbox-360-Erwerbs zu besprechen. Dass mir dieses Privileg überhaupt vergönnt war, lag an meiner blinden Anzahlvorbestellung in einer fernen Epoche, als Erscheinungstermin und Preis der Kiste noch abstrakte Unbekannten waren.

Zuerst wollte junge Mann mit mir einen Termin vor den normalen Öffnungszeiten vereinbaren, weil es später so hektisch werde. Netter Gedanke, aber den freien 8:20-Uhr-Slot habe ich dann doch dankend abgelehnt - das ist eine Stunde, in der man sich noch mal genüßlich im Bett umdreht, aber nicht im strömenden Regen vor der Mall einen Parkplatz sucht. Als nächstes wurde mir nahegelegt, ein paar Tage vorher schon mal vorbeizusehen, um Kreditkartenbeträge ab C$ 400,- autorisieren zu lassen. Womit das Prozedere begann, an die Bananenvergabe unter sozialistischen Planwirtschafts-Regimes zu erinnern. Hallo, ich bin der Kunde, ich gebe Euch Geld. Kriegt den anderen Mist irgendwie auf die Reihe, aber macht die Sache nicht mühsamer als Arzttermin buchen oder Autofinanzierung sichern. Mal ganz abgesehen von den Gerüchten um eine kühl kalkulierte Ausverkaufs-Strategie Microsofts steigt bei mir der Anti-Hype-Pegelstand. Zumal ich nach der tragischen Verschiebung von Oblivion ins nächste Kalenderjahr noch nicht so recht weiß, was ich an Tag 1 zwingend auf der Xbox 360 spielen sollte.

Hier noch ein bißchen Lokalkolorit: Gestern Abend auf dem Weg zum Matthew Good-Konzert (bester kanadischer Rocker, ehrlich) am Eishockey-Stadion vorbeigekommen, wo gerade die ersten Besucher wieder rausströmten. Beim Ratespiel „Endergebnis an den Mienen der Leute ablesen“ habe ich diesmal versagt. Uneuphorische Schwingungen und ernsthafte Mienen ließen auf eine Heimklatsche der Canucks schließen, die trotz durchwachsener Leistung aber doch gegen ein Kanonenfutterteam gewonnen hatten. Bei aller Sportbegeisterung sind Konzert-Tickets für mich der bessere Deal: Sie sind erschwinglicher, man kommt leichter ran und geht vor allem nicht das Risiko ein, am Ende verbittert und frustriert nach Hause zu gehen, weil das Lieblingsteam verloren hat.