Lenhardt lästert

9.6.07

Systemkritik mit Musikbegleitung


Ich schreibe heute lieber über Musik. Denn wenn ich über Spiele schreiben würde, müsste ich das mir wenig Freunde einbringende Thema „Nintendo’s First-Party-Titel werden oft überschätzt“ anschneiden. Die Vorfreude steht bei vielen Wii-Titeln in keinem Verhältnis zur erbrachten Spaßleistung: Die Fanboy-Fachpresse deriliert sich angesichts langatmiger Action-Adventure-Grütze wie Zelda: Twilight Princess in Superlativ-Bereiche, die ich einfach nicht nachvollziehen kann. Bei Wario Ware raffe ich den nachgesagten Genialitätsfunken nicht, Super Mario Strikers Charged war die jüngste Halb-Enttäuschung. Ich erwarte da keine realistische Fußballsimulation, aber auch unter Action-Gesichtspunkten wirkt der Spielablauf ein wenig wirr, überladen, zufällig.

Nachdem ich in der Vergangenheit so viele nette Dinge über den DS geschrieben habe, überstehe ich solche Bekenntnisse hoffentlich ohne Morddrohungen. Aber das Beste am Wii ist derzeit nun mal die Möglichkeit, drollige TurboGrafx-Oldies downzuloaden.

Deshalb schreibe ich also lieber über Musik. Nach einem zähen Jahresanfang gibt es in dieser Abteilung etwas zu belobigen. Von mir hiermit zum Sommerhit ausgerufen: der Rockpop-mit-nem-Reggae-Schuß-Ohrwurm Two Sisters von Fiction Plane, die nicht von ungefähr minimal an die alten Police erinnern. Bassist und Sänger Joe Sumner hat einen Papa namens Sting (… und darf deshalb wohl im Vorprogramm der Police-Comeback-Tour auftreten). Ich kenne den Rest des Albums nicht, aber Two Sisters möge man sich auf der Band-Webseite anhören und versuchen, seinem Charme zu widerstehen.

Beste CDs des Jahres bisher: zum einen Traffic & Weather von Fountains of Wayne. Deren Scheiben müßte man alleine wegen brillanten, witzigen, abenteuerlich gereimten Texte kaufen. Es schadet freilich nicht, dass in musikalischer Hinsicht reihenweise clevere melodische Pop-Perlen aufgefahren werden (insbesondere „New Routine“ und „The Hotel Majestic“). Angenehm überraschend auch die Neue der Manic Street Preachers: nur 10 ½ Tracks, aber mit hohem Knalleranteil gesegnet. Wieder mehr rockiger Biss mit triumphierenden Gitarren und Hymnen-reifer Melodiengewalt. Die verdiente Hitsingle „Your love alone is not enough“ gar nicht mal der stärkste Song: Der Titeltrack, das giftige „Underdogs“ und der schmissige „Autumnsong“ drängen sich als weitere Anspielstationen auf.

Oh, und wenn die Lokalisierungs-Zeitlupenopfer von Nintendo die Europa-Veröffentlichung von Super Paper Mario nicht mit der Behäbigkeit eines schläfrigen Koopas angehen würde, hätte sich mein Wii-Stimmungsbarometer längst erholt …